Hitler kommt an die Macht
Die Weimarer Republik, welche nach dem Ersten Weltkrieg mit Hilfe der Siegermächte aufgebaut wurde, war die einzige Demokratie, die Deutschland bis dato hatte. Das Recht zu wählen, erlaubte es auch kleinen Parteien, ins Parlament zu kommen, was es für eine Regierung unmöglich machte, zu regieren und Bündnisse zu bilden.
Die Schlägertrupps der Nazis und Kommunisten lieferten sich Straßenkämpfe. Dann, am 31. Januar 1933, als das neue Parlament gewählt war, geschah etwas, was niemand erwartet hatte: Die NSDAP wurde die stärkste Partei, und erhielt die absolute Mehrheit.
Sofort sandten Kirchen und Institutionen Briefe an Hitler, in denen sie ihm ihre Glückwünsche und Ergebenheit aussprachen. Nicht nur katholische Bischöfe und Kardinäle, ebenso Protestanten, mit Ausnahme der „Bekennenden Kirche“ des Pastor Niemöllers, schrieben solche Briefe und Telegramme, ebenso viele Sekten, wie beispielsweise die Zeugen Jehovas, die auf einem in Berlin-Wilmersdorf stattfindenden Kongress eine Resolution an Hitler im Sommer 1933 verabschiedeten, indem sie unter anderem schrieben, dass sie von „Geschäftsjuden“ und „Katholiken“ mit Gräuelpropaganda überschüttetwürden, und sie selbst die selben moralischen Werte wie die Nazis haben würden.
Und die Mormonen?
Die waren meist vollkommen über Hitler begeistert. Viele Mormonen sahen Hitler als Wegbereiter Christi (das bei einem Judenhasser anzunehmen, mutet seltsam an), als Vorbereiter des Millenniums (des 2. Kommens Christi), der „Vereinigten Ordnung“ (eine kommunistisch anmutende Gesellschaftsordnung, wo alles allen gehört), so dass viele Mormonen in die Nazipartei eintraten, und manche ebenso in die SS.
In einem Artikel, der in der liberalen Mormonenzeitschrift Sunstone erschien, schrieben Alan F. Keele und Douglas F. Tobler darüber:
"Hitler enjoyed at least as much popularity among German Saints as he did among the population in general. His apparent dynamism and self-confidence seemed to show a way out of the chaos and weakness of the Weimar years. Moreover, as ‘good Germans,' the Mormons were acutely aware that Hitler had risen to power through legal channels... Some Church members even saw Hitler as God’s instrument, preparing the world for the millennium. Superficial parallels were drawn between the Church and the Nazi party with its emphasis on active involvement by every member... The vital importance of ‘Aryan’ ancestry gave new significance to genealogical research. And the Fuhrer himself, the non-smoking, non-drinking vegetarian who yielded to no one in his desire for absolute law and order, seemed to embody many of the most basic LDS virtues."
Übersetzung:
"Hitler genoss mindestens soviel Beliebtheit unter deutschen Mormonen wie unter der Bevölkerung im Allgemeinen. Sein offenbarer Dynamismus und Selbstbewusstsein schienen einen Weg aus der Verwirrung und Schwäche der Weimarer Jahre zu zeigen. Außerdem, als 'gute Deutsche,' waren die Mormonen sich bewusst, dass Hitler legal an die Macht gekommen war... Einige Kirchenmitglieder sahen sogar Hitler als das Instrument Gottes, die Welt für das Millennium vorzubereiten. Äußerliche Parallelen wurden zwischen der Kirche und der Nazipartei mit ihrer Betonung auf der aktiven Beteiligung von jedem Mitglied gezogen... Die Lebenswichtigkeit der arischen Herkunft gab der genealogischen Forschung neue Bedeutung . Und der Führer selbst, der nicht trinkende und nicht rauchende Vegetarier, der unnachgiebig in seinem Wunsch nach absolutem Recht und absoluter Ordnung war, schien viele der grundlegendsten HLT-Vorstellungen zu verkörpern."
Die folgende Aussage stammt von Max Zimmer, einem Mormonen, dessen Aussage in der Deseret News, einer mormonischen Zeitschrift, in deren Ausgabe vom 24. November 1945, also Monate nach Ende des Krieges, erschien:
“Paul Kayser proved to be a true father of the Saints in Alsace. In the first two years of the German occupation he had a difficult time as the branch president in Strassburg, because many of the presiding brethren were 100% Nazis who tried, during their visits to the branch, to preach National Socialism instead of the Gospel of Jesus Christ. The Saints were admonished, both at home and in church meetings, to pray for the Fuhrer, and to consider him called of God. They said Hitler would prepare the world for the United Order.
These brethren must have said some very stupid things, and the members did not always know what the Church´s actual stand was. Many had the impression, that we as a Church were in favor of National Socialism. They tried to reconcile the Nazi salute with the teachings of the Church, and to prove that the Nazi Party was organized according to the way the Church was organized. They said that the Fuhrer was like the president of the Church, and we should obey him. The SS was compared with the Melchisedek priesthood, and the SA (brownshirts) with the Aaronic priesthood. The Gau leaders were compared with stake presidents, district and neighborhood leaders with home teachers, etc. It was good that Brother Kayser was there. He did not let himself get converted to National Socialism, but rather held to the iron rod and finally was able to get the brethren to leave him alone and let him lead his branch in the right way.”
Übersetzung:
"Paul Kayser erwies sich als wahrer Vater der Heiligen (Selbstbezeichnung der Mormonen) in Elsass. In den ersten zwei Jahren der deutschen Besatzung hatte er als der Zweigpräsident in Strassburg harte Zeiten, weil viele der präsidierenden Brüder 100%ige Nazis waren, die während ihrer Besuche im Zweigen der Kirche versuchten, Nationalsozialismus statt des Evangeliums von Jesus Christus zu predigen. Die Heiligen wurden ermahnt, sowohl zuhause als auch in Kirchenversammlungen für den Führer zu beten, und ihn als Gesandten Gottes zu betrachten. Sie sagten, dass Hitler die Welt auf die Vereinigte Ordnung vorbereiten würde.
Diese Brüder müssen einige sehr dumme Dinge gesagt haben, und die Mitglieder wussten nicht immer, wie der wirkliche Standpunkt der Kirche war. Viele hatten den Eindruck, dass wir als eine Kirche für den Nationalsozialismus waren. Sie versuchten, den nazistischen Gruß mit den Lehren der Kirche zu verbinden, und zu beweisen, dass die nazistische Partei genauso organisiert wurde, wie die Kirche organisiert wurde. Sie sagten, dass der Führer dem Präsidenten der Kirche ähnlich war, und wir ihm folgen/gehorchen sollten. Der SS wurde mit dem melchizedekischen Priestertum (ein Priestertum der Mormonen), und die SA (Braunhemden) mit dem aaronischen Priestertum verglichen und gleichgestellt. Die Gauleiter wurden mit Pfahlpräsidenten gleichgesetzt, und die Blockwarte mit Heimlehrern usw. Es war gut, dass Bruder Kayser dort war. Er ließ sich nicht zum Nationalsozialismus bekehren, aber hielt eher an der eisernen Stange fest, und war schließlich im Stande, die Brüder zu veranlassen, ihn allein zu lassen und ihn seinen Zweig auf die richtige Weise führen zu lassen."
Schnell passten sich die Mormonen den neuen Machthabern und deren Regeln an. Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen und Sekten, wie z.B. die Zeugen Jehovas, die schnell die Macht der neuen Regierung zu spüren bekamen, lebten die Mormonen in relativer Ruhe. Als einer der letzten Organisationen, die von der NSDAP verboten wurden, gehörte die Pfadfinderorganisation der Mormonen im Frühling 1934 dazu, wie Jörg Dittberner, damals ein Mormone, in seinem Dissertationskonzept in der liberalen deutschsprachigen Mormonenzeitschrift Betrachtungen vom Winter 1998/99 (S. 37) schrieb. Missionare konnten, wie ihre Missionspräsidenten, ungehindert reisen, und viele äußerten sich in Publikationen und privaten Briefen in die Heimat mehr als positiv über die NSDAP und Hitler.
Wie Gerüchte von Mitgliedern aussagten, soll das Reichssicherheitshauptamt (Leiter war Adolf Eichmann) in mindest zwei Fällen die Mormonenkirche vor den Angriffen einiger Geistlicher beschützt haben, so auch Jörg Dittberner in seinem Artikel (S.37). Diese gleichlautenden Gerüchte stammen von einfachen Mitgliedern, die überrascht über die privilegierte Position der Mormonenkirche waren. Auch ein Senator Thomas aus den USA schien darüber sehr erstaunt zu sein, wie Jörg Dittberner in seinem Dissertationskonzept (S.37) berichtete.
In der Tat wollte niemand glauben, dass die NSDAP immer so mit den Mormonen umgegangen wäre. Zeitweise und lokal beschränkt, erlebten auch Mormonen und ihre Gemeinden repressive Maßnahmen, unter denen sie litten. Jedoch waren sie eher selten und lokal begrenzt.
Einige Mormonen, die in Hitlerdeutschland gelebt hatten, erzählten mir, als ich noch aktives Mitglied war, also vor meiner Exkommunikation 1992, dass der Gedanke des „Eintopfsonntags“ ursprünglich von Mormonen gekommen wäre, und von den Nazis aufgegriffen wurde (als abgemilderte Form des Fastens am Fastsonntag); und auch, dass es eine Kooperation zwischen der genealogischen Abteilung der Mormonen und den Nazis gab, um deren Genealogieprogramm aufzubauen. Aussagen, die ich durch andere Dokumente weder bestätigen noch verneinen kann.
Mormonenmissionare trainierten das Nationalteam der Deutschen im Basketball für die in Berlin stattfindende Olympiade (1936), damit das deutsche Team bessere Siegeschancen hatte.
Dazu eine Quelle aus dem Internet:
Roy Welker’s [German mission president] legion of young missionaries also practiced
basketball diplomacy in Hitler’s Germany.
Basketball debuted as a “demonstration” sport in the 1936 Berlin Olympics. Host Germany dispatched its secondstring handball squad, whose players had never before touched a basketball, into international competition(Krüger 2000, 1).
When missionaries played a series of exhibitions against several German army teams in the mid-1930s, Reich sports officials asked the Mormons to help prepare the German team. Not only did they eagerly undertake that assignment, but records of the German-Austrian mission indicate that four missionaries “officiated” the games (Scharff s 1970, 86).
In early 1936, only one month after American Jewish groups led a well-publicized but
unsuccessful drive for an American boycott of the Hitler Olympics, the Mormon churchowned Salt Lake City daily newspaper, the Deseret News, ran a six-column picture of the German team giving the Hitler salute.
When the Welkers returned home in 1937, and one of Roy’s first official duties was
an address to the semiannual LDS General Conference, a two day faith promoting
convocation in Salt Lake City. The recently replaced mission president said: “Nazi
dislike of Jews and hatred of communism are at the root of most propaganda against
that nation.”
In Germany Herr Hitler has sought the services of the Elders to teach basketball
to the team he hopes will achieve a Nordic victory at the Olympic Games to be
held this year in Berlin. (Bennon1936, 1, 6).
Im Jahr 1937 fragte der Chefredakteur des Völkischen Beobachters, einer Nazipostille, den damaligen Missionspräsidenten der Westdeutschen Mission, Alfred C. Rees, ob dieser gerne für seine Zeitung einen Artikel über die Geschichte der Mormonen schreiben würde. Dieser Artikel erschien in der bereits erwähnten Zeitung am 14. April 1937, und wurde später als Missionarsbroschüre gedruckt und verteilt, zumindest, bis die Missionare im Jahr 1939 Deutschland verließen (kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges).
Zwei Jahre zuvor hatte Senator Reed Smoot, ein Mormone, Deutschland besucht, und die Mormonenzeitschrift “DER STERN”, der darüber berichtete, bezeichnete ihn als „ Guten Freund des deutschen Volks“.
Über den Artikel, den Alfred C. Rees für den Völkischen Beobachter schrieb, fand ich im Internet folgende interessante Aussage:
In the Editor's Preface to the article, President Rees is called 'the representative of the Church in Germany,' who 'paints for our readers a portrait of Mormonism today, a church which views the New Germany with sympathy and friendship.' Whether President Rees originally wrote the article in German or not, the language of the piece abounds in such loaded terms as Volk and Rasse (race), and a picture of Brigham Young bears the caption, 'Fuhrer der historischen Mormonenpioniere.' But the significance of these linguistic gaffes is magnified by hindsight. More disturbing is the way President Rees blatantly parallels Mormonism with Nazism. As Rees warms to his topic, Mormonism begins to sound like a fulfillment of Nazi teachings, providing 'the practical realization of the German ideal: "the common good takes precedence over the individual good."' Rees concluded by assuring his readers that 'Mormons are people who put this healthy doctrine into action.' Reading articles such as this, it would have been easy for a German Saint to mistakenly conclude that the seal of official Church approval had been placed on the Nazi regime."
Alan F. Keele and Douglas F. Tobler, “The Fuhrer’s New Clothes: Helmuth Huebner and the Mormons in the Third Reich,” Sunstone, v. 5, no. 6, pp. 20-29
Übersetzung:
In der Einleitung des Redakteurs zum Artikel wird Präsident Rees als ein "Vertreter der Kirche in Deutschland bezeichnet, der "'für unsere Leser ein Bildnis des Mormonentums heute malt, eine Kirche, die das Neue Deutschland mit Zuneigung und Freundschaft ansieht.' Ob Präsident Rees ursprünglich den Artikel auf Deutsch schrieb oder nicht, die Sprache des Artikels gipfelt in solche gewichtigen Begriffe wie „Volk und Rasse“, und ein Bild von Brigham Young trägt die Überschrift, 'Führer der historischen Mormonenpioniere.' Aber die Bedeutung dieser Sprachschnitzer wird durch die verspätete Einsicht vergrößert. Störender ist die Art und Weise, wie Präsident Rees offensichtlich Mormonentum mit dem Nazismus gleichsetzt. So wie sich Rees zu seinem Thema erwärmt, beginnt Mormonentum einer Erfüllung von nazistischen Lehren ähnlich zu sein, 'die praktische Verwirklichung des deutschen Ideals zu liefern: "Das Gemeinwohl hat vor dem individuellen Nutzen den Vortritt." 'Rees kommt zum Schluss, indem er seinen Lesern versichert, dass 'Mormonen Leute sind, die diese gesunde Doktrin in die Tat umsetzten'. Das Lesen eines solchen Artikels hätte es einem deutschen Heiligen leicht gemacht, irrtümlicherweise zu folgern, dass das Siegel der offiziellen Kirchenbilligung auf das nationalsozialistische Regime gesetzt worden war."
Die meisten Mormonen handelten so wie die meisten Deutschen: Sieh nichts von dem, was um dich herum geschieht.
Es gab Mormonen, die aus dem Judentum kamen. Es gab Fälle, wo sie von ihren fanatischen Glaubensgeschwistern an Gestapo und/oder SS verraten wurden. Aber es gab auch Fälle, wo sie von ihren Glaubensgeschwistern versteckt wurden. Jedoch waren diese Fälle eher selten. Die meisten Mormonen sahen einfach weg.
Einige Mormonen konnten jedoch nicht wegsehen. Dafür waren die schrecklichen Taten des neuen Regimes ein zu klarer Beweis, dass sie nicht wegsehen konnten. Um Pastor Niemöller von der Bekennenden Kirche zu zitieren:
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Aber ein besorgter Mormone war Helmuth Hübener, ein junger Mann aus Hamburg,
Deutschland. Seine Geschichte zeigt uns viel über das damalige Denken der Mormonen in Deutschland
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